Das folgende Märchen verfasste ich kürzlich als Schreibübung und veröffentliche es lediglich im Autorenpool:
Ein Marketing-Märchen
Es war einmal ein König; der herrschte über ein kleines Königreich namens Dekazettvauland. Eines Tages verirrte er sich auf einem Spaziergang durch seinen goldenen Palast in seine Schatzkammer und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass alle Truhen leer waren. Da rief er seinen Haushofmeister und machte ihn ordentlich zur Sau.
Der warf sich in den Staub und winselte: „Es tut mir leid, Majestät! Aber die Zahlungen bleiben aus, weil uns die Untertanen abhandenkommen. Immer mehr schnallen, dass die Abgaben woanders niedriger sind, und machen sich heimlich aus dem Staub.“
„Ist mir wurscht!“, donnerte der König. „Unternimm etwas! Oder ich verlängere deinen Zeitvertrag nicht mehr!“
Da war guter Rat teuer – wie alles im Dekazettvauland. Doch wenn der Haushofmeister irgendetwas konnte, dann war es nicht Rat geben, sondern Rad fahren. Er rief die Marketing-Hofdame Trine und wiederholte das soeben gelernte Vokabular samt Drohung, die nicht ihre Wirkung verfehlte. Trine warf sich in den Staub, aus dem sich die Untertanen gemacht hatten, und versprach, sich etwas völlig Neues und noch nie da Gewesenes einfallen zu lassen. Aber wie alle Mitglieder des Hofstaates im Dekazettvauland hatte sie keine Ahnung von irgendetwas, sondern kannte sich lediglich mit leeren Versprechungen aus.
Ängstlich lief Trine in den Wald, setzte sich auf einer Lichtung auf einen Baumstumpf und weinte bitterlich. Plötzlich begann die Umgebung zu beben und eine dröhnende Stimme brüllte: „Wer sitzt hier so frech auf meinem Stummel?“ Trine fuhr ordentlich zusammen und stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass die Lichtung in Wirklichkeit ein riesiger, bemooster Troll war, der dort im Wald sein Mittagsschläfchen gehalten hatte und sich nun aufsetzte und grummelnd die Augen rieb. Und der Baumstumpf war kein Baumstumpf, sondern etwas, das hier nicht weiter erläutert wird, damit die Geschichte jugendfrei bleibt.
Trine sprang auf und bat wort- und tränenreich um Entschuldigung.
„Hör auf zu heulen!“, fiel ihr der Troll ins Wort. „Wenn du ausgerechnet an der Stelle alles nass machst, meinen die Leute am Ende … Ach, lassen wir das. Warum weinst du?“
„Lieber Troll, wenn ich nicht rasch ein paar Leute finde, die meinem König die Schatzkammer füllen, wird mein Zeitvertrag nicht mehr verlängert, und ich muss mir am Ende ehrliche Arbeit bei einem ehrlichen Arbeitgeber suchen.“
„Das ist bitter! Aber dagegen kann man doch etwas tun! Jeden Tag steht ein Dummer auf, der nicht weiß, für welchen Quatsch er das Geld, das er nicht hat, aus dem Fenster werfen soll. Man muss ihn nur finden.“
„Wirklich? Und wie finde ich ihn?“
„Hinter den sieben Bergen über den sieben Brücken gibt es einen Markt, auf dem jeder seine Waren feilbieten kann. Doch Vorsicht! Du kannst dort nicht einfach einen Stand mieten und offen sagen, wer du bist und dass du Dumme suchst.“
„Schade! Was mache ich stattdessen?“
„Du baust ein Puppentheater auf, ziehst dir ein paar Sockenpuppen über die Hände und spielst den Leuten etwas vor, bei dem du ganz nebenbei die Vorzüge des Dekazettvaulandes lobst.“
„Welche Vorzüge?“, fragte Trine verwundert.
„Ach, du Dummerchen! Denk dir was aus! Jede Sockenpuppe braucht einen eigenen Charakter, damit das Publikum den Puppenspieler vergisst. Eine ist das Naivchen und stellt eine Frage, eine hat ein sonniges Gemüt und fungiert als positiv wirkender Stichwortgeber, und eine spielt den Experten und gibt wachsweiche Antworten mit pseudokompetentem Anstrich. Und damit es nicht auffällt, beschäftige dich nicht nur mit deinem eigentlichen Anliegen, sondern sag zur Tarnung auch ein bisschen was zu anderen Themen, die auf dem Markt gerade so im Gespräch sind. Die können gern ein wenig älter sein, und deine Meinung muss auch gar nicht Hand und Fuß haben. Im Zweifelsfall wiederholst du in eigenen Worten das, was andere bereits dazu gesagt haben. Schließlich suchst du Dumme. Zu der Zielgruppe passt alles.“
„Und das funktioniert?“
„Aber klar doch! Ich bin ein Troll. Das ist mein Spezialgebiet!“ Sprach es und legte sich wieder hin, um weiterzuschlummern.
Trine wanderte über sieben Berge und sieben Brücken und baute auf dem Markt ein Sockenpuppentheater auf. Bald blieben die Marktbesucher verwundert stehen und lauschten völlig perplex dem sinnlosen Dialog. Mit der Zeit wurde Trine müde und verwechselte die Rollen der Sockenpuppen. Plötzlich sprach das Naivchen mit der Stimme des Experten und umgekehrt, aber sie machte tapfer weiter und ignorierte die Zwischenrufe der belustigten Marktbesucher. Die Sockenpuppen laberten und laberten. Und wenn sie nicht gestorben (oder in der Waschmaschine verschwunden) sind, dann labern sie noch heute.
Ein Marketing-Märchen
Stellt euren Text vor und holt euch Feedback der BoD Community.
Ein Marketing-Märchen
»Better a witty fool, than a foolish wit.« (Shakespeare’s »Twelfth Night«)
(Übersetzung: Besser ein weiser Narr, als ein närrischer Weiser.)
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Re: Ein Marketing-Märchen
Vielleicht ist die Waschmaschine doch die wahrhafte Lösung?
Ansonsten:
(auch wenn jetzt wieder von schöner Seite eine Allianz befürchtet wird
)
Ansonsten:


- Holly O Rilley
- Beiträge: 204
- Registriert: 16.04.2016, 12:43
- Wohnort: Saarland
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Re: Ein Marketing-Märchen
Herzlichen Dank für das positive Feedback, Matthias und Holly! Ich freue mich sehr darüber.
Liebe Grüße,
Monika

Liebe Grüße,
Monika
»Better a witty fool, than a foolish wit.« (Shakespeare’s »Twelfth Night«)
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- Torsten Buchheit
- Beiträge: 4241
- Registriert: 13.12.2009, 21:10
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Re: Ein Marketing-Märchen
Wunderschön geschrieben.
Hast du schon Anfragen von DKZ-Verlagen, die die Geschichte (gegen saftige Gebühr) verlegen wollen?

Hast du schon Anfragen von DKZ-Verlagen, die die Geschichte (gegen saftige Gebühr) verlegen wollen?


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Re: Ein Marketing-Märchen
Herzlichen Dank, Torsten!
Nein, eine Anfrage kam bis jetzt noch nicht, aber ich rechne eigentlich fest damit. Die scheinen doch sehr verzweifelt zu sein.
Liebe Grüße,
Monika

Nein, eine Anfrage kam bis jetzt noch nicht, aber ich rechne eigentlich fest damit. Die scheinen doch sehr verzweifelt zu sein.
Liebe Grüße,
Monika
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- Torsten Buchheit
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Re: Ein Marketing-Märchen
Verzweifelt oder nicht - zehntausend Euro sind zehntausend Euro. 

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Re: Ein Marketing-Märchen
Torsten Buchheit hat geschrieben:zehntausend Euro sind zehntausend Euro.
Ich hab das jetzt vergessen … kriegt man die oder muss man die zahlen?

Re: Ein Marketing-Märchen
mtg hat geschrieben:Torsten Buchheit hat geschrieben:zehntausend Euro sind zehntausend Euro.
Ich hab das jetzt vergessen … kriegt man die oder muss man die zahlen?
Über solche Haarspaltereien denke ich doch nicht nach, wenn mir jemand sagt, dass die Veröffentlichung meines Werks zehntausend Euro wert ist.



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- Anke Höhl-Kayser
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Re: Ein Marketing-Märchen
Monika K. hat geschrieben:Über solche Haarspaltereien denke ich doch nicht nach, wenn mir jemand sagt, dass die Veröffentlichung meines Werks zehntausend Euro wert ist.![]()
![]()
Das ist so schön an Märchen - da gibt es immer ein Happy-End! Selbst wenn die Prinzessin den Frosch an die Wand geworfen hat!


Ich schmeiß mich wech, was für ein klasse Text!


- Torsten Buchheit
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Re: Ein Marketing-Märchen
mtg hat geschrieben:Torsten Buchheit hat geschrieben:zehntausend Euro sind zehntausend Euro.
Ich hab das jetzt vergessen … kriegt man die oder muss man die zahlen?
Das ist ganz unterschiedlich - je nachdem ob man der Autor oder der DKZV ist. Während der Autor denkt, er würde mit seinem Buch zehntausend Euro verdienen, ist es es letztlich der DKZV, der das Geld bekommt. Umgekehrt gibt sich der DKZV oft den Anschein, er könne den Autor die zehntausend Euro verdienen lassen, während er ganz genau weiß, daß er zum guten Schluß das Geld einsäckelt.
Ein Wort mag dem guten Autor zum Troste dienen:
Die zehntausend Euro sind nicht weg.

Sie gehören nur jemand anders.

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Re: Ein Marketing-Märchen
Also … wenn ich als Autor einen eigenen DKZV aufmache … dann lande ich, wenn ich das richtig verstanden habe, bei ± 0, nicht wahr? Na, das klingt doch ganz vernünftig! 
Aber wie finanziere ich dann die Waschmaschine für die Sockenpuppen?

Aber wie finanziere ich dann die Waschmaschine für die Sockenpuppen?

- Torsten Buchheit
- Beiträge: 4241
- Registriert: 13.12.2009, 21:10
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Re: Ein Marketing-Märchen
mtg hat geschrieben:Also … wenn ich als Autor einen eigenen DKZV aufmache … dann lande ich, wenn ich das richtig verstanden habe, bei ± 0, nicht wahr? Na, das klingt doch ganz vernünftig!
Aber wie finanziere ich dann die Waschmaschine für die Sockenpuppen?
Einen eigenen DKZV macht man als Autor quasi dann auf, wenn man seine eigenen Bücher beispielsweise bei BoD veröffentlicht. Das kostet fast nichts (19 Euro beispielsweise), und die hat man über die Honorare rasch wieder raus und ist bei ±0.
Und ein bisschen Eigengeruch dürfen die Sockenpuppen ja schon haben ...
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Re: Ein Marketing-Märchen
Herzlichen Dank, liebe Anke! Du weißt ja, wie es endet, wenn ich einen Ausflug in ein fremdes Genre mache ...
Das ist ganz einfach: Wenn ich ein Buch als Selfpublisher veröffentliche, bin ich mein eigener DKZV und zahle pro Buch 5000 Euro an mich selbst. Das fällt mir nicht immer leicht, aber Qualität muss sein, und das sind mir meine Bücher wert. Von den Einnahmen gehen 19 Euro für BoD und 119 Euro für ein Paar Schuhe ab. Verbleiben 4862 Euro. Selbst wenn ich mir noch eine neue Waschmaschine, drei Paar Norwegersocken, ein Raumluft-Spray gegen Fußgeruch und pinkfarbene Leggings kaufe, bleibt da ein satter Gewinn übrig. Was glaubt ihr, warum ich sonst diese eigenartigen Machwerke verfasse?

Torsten Buchheit hat geschrieben:mtg hat geschrieben:Also … wenn ich als Autor einen eigenen DKZV aufmache … dann lande ich, wenn ich das richtig verstanden habe, bei ± 0, nicht wahr? Na, das klingt doch ganz vernünftig!
Aber wie finanziere ich dann die Waschmaschine für die Sockenpuppen?
Einen eigenen DKZV macht man als Autor quasi dann auf, wenn man seine eigenen Bücher beispielsweise bei BoD veröffentlicht. Das kostet fast nichts (19 Euro beispielsweise), und die hat man über die Honorare rasch wieder raus und ist bei ±0.
Und ein bisschen Eigengeruch dürfen die Sockenpuppen ja schon haben ...
Das ist ganz einfach: Wenn ich ein Buch als Selfpublisher veröffentliche, bin ich mein eigener DKZV und zahle pro Buch 5000 Euro an mich selbst. Das fällt mir nicht immer leicht, aber Qualität muss sein, und das sind mir meine Bücher wert. Von den Einnahmen gehen 19 Euro für BoD und 119 Euro für ein Paar Schuhe ab. Verbleiben 4862 Euro. Selbst wenn ich mir noch eine neue Waschmaschine, drei Paar Norwegersocken, ein Raumluft-Spray gegen Fußgeruch und pinkfarbene Leggings kaufe, bleibt da ein satter Gewinn übrig. Was glaubt ihr, warum ich sonst diese eigenartigen Machwerke verfasse?

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(Übersetzung: Besser ein weiser Narr, als ein närrischer Weiser.)
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Re: Ein Marketing-Märchen
Monika K. hat geschrieben:Die Sockenpuppen laberten und laberten. Und wenn sie nicht gestorben (oder in der Waschmaschine verschwunden) sind, dann labern sie noch heute.
... bzw. heute wieder.

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