Das Folgende ist eine meiner ersten Geschichten. Sie ist aus einer Buchidee entstanden, die ich bisher noch nicht umgesetzt habe. Trotzdem würde ich gerne eure Meinung über meinen Schreibstil hören!!
"Erste Nacht in seinem Zimmer"
Die Vorstellung, dass ich wegen dieses dummen Brandes mit einem Fremden ein Bett teilen musste, war zu grotesk, um wirklich wahr sein zu können.
Und es musste auch noch Damasos Hephaistos sein.
Der Damasos Hephaistos, der Halbgrieche, der vor wenigen Wochen erst an das Internat gekommen war.
Ich ging nervös den Gang auf und ab und umklammerte so fest den Riemen meiner Tasche, dass es wehtat. Mein Kopf platzte vor all diesen unvorstellbaren Gedanken! Das musste ein Traum sein – das konnte einfach nur ein Traum sein. Was denn auch sonst?
Ein Albtraum. Ein verdammter Albtraum.
„He, bist du Tabby?“
Ich fuhr herum. Am Ende des Ganges stand Damas, der mich freundlich anblickte.
„Ja.“ Ich schluckte. Er sah so umwerfend gut aus, wie immer. Aber, naja, ich ließ mich von so etwas wie dem Aussehen nur wenig beeindrucken – zumindest war das so, bis jetzt.
Lässig kam er auf mich zu und winkte mich zur Tür. „Na dann komm, bringen wir deine Sachen rein.“
Ohne zu zögern, packte er die Tasche, die bereits vor der Tür stand und trat ein.
„Als ich gehört habe, dass euer Wohnblock in Flammen aufgegangen ist, bin ich sofort zu den Sanitätern gerannt und habe geschaut, ob jemand verletzt wurde. Wahnsinnig. Weiß man denn schon, wo genau es ausgebrochen ist, oder warum?“
Ich kam zögernd hinter ihm her und ließ meinen Blick kurz im Zimmer schweifen. „Nein, nein, leider nicht.“
Viel hatte er nicht im Zimmer … ein großes Futonbett, einen Schrank, einen Schreibtisch, Sofa und Fernseher. Und eine Minianlage auf dem Schreibtisch. Mehr nicht.
„Ja schade.“ Er stellte meine Tasche neben das niedrige Bett. „Hier. Du darfst auf dem Bett schlafen“, meinte er und blickte mich mit seinen graublauen Augen an.
Verdutzt erwiderte ich den Blick. „Und du?“
Seufzend wandte er sich zum Sofa. „Ich werde … dort schlafen. Obwohl ich viel zu groß dafür bin.“
Wärme stieg in mir auf – er machte sich solche Umstände, meinetwegen!
„Nein nein!“, sagte ich schnell und hätte fast seine Schulter gepackt.
Überrascht drehte er den Kopf. „Was? Doch. Ich kann mir vorstellen, dass du nicht unbedingt darauf brennst, mit einem Jungen im selben Bett zu schlafen.“
Ich schluckte und machte einen Schritt zurück. Selbstverständlich brannte ich nicht darauf, aber trotzdem wollte ich ihm nicht zumuten auf einem Sofa zu pennen, das zwanzig Zentimeter zu klein für ihn war.
„Ja – nein, ich meine…“ Ich stockte, als er grinste. „D-das macht mir nichts aus…“
Er hob die Brauen. „Bist du sicher?“
Nein. „Ja.“ Mist! Ich legte meine Tasche neben die Große auf den Boden und stellte mich demonstrativ davor. „Ganz, ganz sicher.“
Damas schüttelte den Kopf. „Also gut. Wir versuchen es eine Nacht.“
Oh mein Gott, wie sich das anhört!, dachte ich und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Wir versuchen es eine Nacht … als ob ich Angst vor ihm hätte. Pah!
Die Zahnbürste summte in meinem Kopf. Als ich aufsah, blickte ein Mädchen mit wirren, roten Haaren, Sommersprossen und einer elektrischen Zahnbürste im Mund, zurück. Das war ich. Tabby. Eigentlich Skye Motokyo. Tochter einer Deutschen und eines Asiaten. Und ab heute Zimmergenossin des hübschesten und süßesten Typen des ganzen Internats – und das nur wegen eines Brandes. Nur.
Mit hämmerndem Herzen spülte ich den Mund aus und bürstete mir die Haare. Noch einmal musterte ich mich.
Schon lange hatte ich davon geträumt, einmal Ehrfurcht vor einem Jungen zu empfinden. Zu lange Zeit war ich ihnen gegenüber schlagfertig und neutral gewesen, nicht wie man es hört ängstlich und peinlich berührt. Jedes Mal hatte ich mich gefragt, wie sich das wohl anfühlte.
Jetzt wusste ich es.
Tief seufzend ging ich zur Tür, schloss sie auf und bog ab, in den Gang, in Richtung Zimmer-Damas.
Bleib ganz ruhig. Bleib ganz ruhig. Bleib ganz ruhig. Er ist auch nur ein Mensch, mahnte ich mich und atmete noch einmal tief durch, bevor ich anklopfte.
„Herrein“, kam es gedämpft hervor.
„Ich bin es“, meinte ich zögernd – falls er im Moment zu wenig Kleidung anhatte.
Er lachte. „Herrein“
Mein Herz sprang. Ich drückte die Klinke. „Abend.“
Damas saß auf dem Sofa, die Schultasche daneben, und richtete vermutlich gerade das Schulzeug für den nächsten Tag, als er aufsah. „Abend. Bereit für die Nacht?“
Schon wieder so ein toller Spruch. Wieder wurde ich rot. „Klar. W-welche Seite ist … deine?“, fragte ich zögernd und wies auf das Futonbett.
„Von dir aus rechts.“
Ich nickte nur und setzte mich auf den Rand. Die Leselampe, die schrecklich laut summte – und die einzige Lichtquelle – stand auf meiner Seite. Ich dankte Gott, dass ich bereits den Schlafanzug trug und verwünschte Damas, dass er ihn noch nicht trug.
Ich strich über die eine der beiden Bettdecken – sehr weiches Material. In meinem Augenwinkel erhob sich Damas und kam zum Futon. „Kannst du dich mal für zwei Minuten umdrehen?“, meinte er schnippisch grinsend.
Ich machte große Augen. „Ja“ Ja natürlich tat ich das! Sofort fuhr ich im Schneidersitz herum und drückte mein Gesicht ins Kissen. Dumpf hörte sie ihn lachen, dann raschelte es und ich drückte es noch fester hinein. Eine Weile geschah nichts, doch dann berührte etwas meine Schulter und langsam hob ich den Kopf. Es war Damas, der die Hand nach mir ausstreckte. „Du kannst das Licht ausmachen, wenn du magst.“
Es dauerte einige Momente, bis ich begriff, was er gerade gesagt hatte. „O-okay…“ Ich streckte den Arm und drehte an dem Knopf – das Licht ging aus. Es war dunkel.
Vollkommen dunkel.
Ohne Zeit zu verlieren, schlüpfte ich unter die Decke – ganz außen, dass ich fast hinausfiel.
„Hey“, meinte Damas. „Du musst dich nicht so an den Rand quetschen. Ich verspreche dir, anständig zu bleiben.“
Ich musste ihn nicht sehen um zu wissen, dass er grinste. Ich überlegte kurz, dann rutschte ich ein paar Zentimeter weiter hinein.
Oh man, das fühlte sich so seltsam an. Ein dumpfer Druck pulsierte in meinem Bauch, wenn ich es mit einem Geschmack vergleichen sollte, schmeckte es süßlich. Und es kitzelte. Das Kitzeln machte einen Sprung, als er sich bewegte und die Decke raschelte. Ich hielt die Luft an, um alles zu hören. Doch dann war es still. Nur mein Herz hämmerte in meinen Ohren.
Bleib ganz ruhig. Bleib ganz ruhig. Bleib ganz ruhig. Er hat dir versprochen, dass er anständig bleibt. Nicht dass ich ihm nicht glauben würde … aber trotzdem.
Schlafen konnte ich lange nicht. Immer wieder sah ich zu ihm herüber und konnte im fahlen Licht erkennen, dass seine Augen geschlossen waren. Er schlief.
Erst nach etwa einer Stunde legte sich der Schlaf kühl und ruhig über mich wie ein Film.
Aber in meinen Träumen war Damas immer noch da.
Irgendwann zuckte ich zusammen. Instinktiv schlug ich die Augen auf – musste aber sofort blinzeln, als es hell um mich herum war. Nicht sehr hell, halbdunkel. Die Lampe summte.
Ich sah zu Damas herüber, meine Gedanken waren schwer vom Schlaf.
Und erst als ich ihn so dicht an mir sah, wie er in einem Buch las, merkte ich, dass ich ihn in der ganzen Länge berührte.
Ich riss die Augen auf und hielt den Atem an, als eine Welle des Kribbelns mich überrollte.
Damas‘ Blick riss von den Zeilen und wanderte zu mir. „Oh, tut mir leid … hab ich dich geweckt?“
Ich konnte nur stumm den Kopf schütteln.
Dann begann er zu lächeln, es war ein himmlisches Lächeln. „Hey, keine Sorge, es stört mich nicht.“
Ich starrte ihn einige Momente fassungslos an. War das eine ernsthafte Aussage gewesen, oder ein Witz, den ich nicht verstanden hatte? Meine Glieder waren schwer und nur widerwillig beugten sie sich meinem Befehl, wegzurutschen.
„Tut mir leid.“, sagte Damas nochmal und sah mich entschuldigend an.
„Kein Problem. Sag mal, machst du das immer so? Dass du um … drei Uhr morgens liest?“
Er schnaubte und klappte das Buch zu. „Ja. Du wirst dich dran gewöhnen müssen.“ Ohne Vorwarnung lehnte er sich über mich und griff nach dem Dribbel der Lampe – seine Nase befand sich nur knapp über meiner. Kurz sah er mir direkt in die Augen und ich spürte, wie sich das Kribbeln in meine Kehle schlich. „Damas.“, hauchte ich. „Du hast versprochen, anständig zu sein.“ Wieso ich das sagte, wusste ich nicht.
Damas zuckte verblüfft zurück. „Oh, entschuldige, ich hab gar nicht gemerkt …“ Er brach kopfschüttelnd ab und löschte das Licht.
Als er sich zurückbeugte strich seine Hand kurz mein Gesicht. Ich atmete tief durch. Noch immer spürte ich die Berührung an meiner Schulter, mit der ich aufgewacht war.
Ich wusste, dass das Gefühl so schnell nicht abklingen würde.
Na die nächsten Wochen konnten ja heiter werden – ich freute mich schon jetzt auf all die Peinlichkeiten, mit denen ich konfrontiert werden würde. Da konnte man nur hoffen, dass Damas schwer von Begriff war und ich mich nicht allzu sehr blamierte.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber noch nicht, wer Damas wirklich war. Oder was.
Denn von Dero hatte ich keine Ahnung.
Dankeschön schonmal im Voraus!

eure KaZuko