Autor: Isabell Schmitt-Egner
Verlag: BOD Norderstedt
Seiten: 120
Preis: 7,90
Der Autor über das Buch:
"Sam aus dem Meer" behandelt eines meiner liebsten Schreibthemen: männliche Nixen, also Meermänner. Da die meisten Autoren sich, wenn überhaupt, bei diesem Thema auf Meer(jung)frauen konzentrieren, wollte ich den männlich-menschfischigen Meeresbewohnern auch ihren verdienten Raum geben. Aus Kostengründen wurde die Geschichte in 5 kürzere Einzelromane geteilt, die alle in sich abgeschlossene Erzählungen sind und auch einzeln gelesen werden können.
Sam gehört inzwischen zu meinen Lieblingsfiguren und ich werde heulen, wenn das letzte Buch fertig ist.
Was als scheinbare Liebesgeschichte anfängt, nimmt einen völlig anderen Verlauf, als man anfangs denken mag. Konzipiert war das Buch für Jugendliche, aber das hat nicht geklappt. Habe fast nur erwachsene Leser, aber immerhin Leser!
Inhalt:
Sam aus dem Meer
Bei einem Strandspaziergang entdeckt die 16-jährige Laine einen Jungen, der scheinbar in einer Strandhöhle lebt. Sie hält ihn für einen Ausreißer und freundet sich mit ihm an. Sam, wie der Junge sich selbst nennt, fasst Vertrauen zu ihr, aber er scheint von den einfachsten Dingen des Lebens keine Ahnung zu haben. Laine vermutet, dass Sam isoliert in einer Art Sekte aufgewachsen sein muss, aber damit liegt sie völlig falsch.
Sam ist ein Meereswesen, kann unter bestimmten Bedingungen seinen Fischkörper in Beine umwandeln und sich eine Weile an Land aufhalten. Es fällt Laine nicht leicht, mit dieser Verantwortung umzugehen. Als sie Sam mit auf eine Party nimmt, kommt es zum Streit mit Bill, dem älteren Freund von Laines Mitschülerin. Von Rache und Eifersucht getrieben, spioniert Bill Laines "neuem Freund" hinterher. Es gelingt ihm, einen Beweis für Sams Existenz zu sichern. In seinem pensionierten Biolehrer Greg Abernathy findet Bill einen Verbündeten, um seinen Plan, Sam aus dem Weg zu räumen, in die Tat umzusetzen.
Leseprobe 1:
Sie leuchtete ins Wasser und hinüber zu dem Felsvorsprung. Etwas Helles blitze auf und verschwand wieder, als das Licht weiterglitt. Sie hatte es nur einen Sekundenbruchteil gesehen und wusste doch, was es war.
Nein, dachte Laine, nein, bitte lieber Gott, das darfst du nicht, das kannst du nicht machen. Sie taumelte und fiel auf die Knie. Ihr war schwindelig vom Schock. Sie hatte ein menschliches Gesicht im Wasser gesehen. Und sie wusste, dass es Sam war. Irgendwie musste er sich unter dem Felsvor-sprung festgeklemmt haben und …
… ertrunken, dann ist er qualvoll ertrunken, weil ich nicht da war, um ihm zu helfen …
Sie wimmerte leise. Sie musste die Polizei rufen, einen Krankenwagen ... oder ihren Dad. Sie griff nach der Taschenlampe. Sie wollte Sam nicht noch mal unter dem Felsen liegen sehen, aber irgendwie war es auch unerträglich, ihn nicht anzusehen. Ihre Hand zitterte, als sie ins Wasser leuchtete. Sie stöhnte auf. Es war Sam. Sie konnte nur sein Gesicht und einen Teil seiner Hand erkennen. Der Rest seines Körpers klemmte offensichtlich unter dem Felsen. Sams Mund war leicht geöffnet, die Augen geschlossen.
Laine konnte sich nicht erinnern, jemals einen schrecklicheren Moment durchlebt zu haben als diesen. Vor ein paar Stunden hatte er sie noch angelacht und ihre Schokoriegel gegessen, und jetzt hatte ein böses Schicksal ihn ihr genommen. Ein unnötiger Unfall, sinnlos und grausam. Bestimmt war er in die Höhle getaucht und nicht mehr heraus gekommen.
Und wenn er noch lebte? Unmöglich. Sie war schon seit Minuten in der Höhle. Es war zu spät. Oder?
„Ich hol dich da raus, Sam“, flüsterte sie. Sie ließ den Rucksack fallen, streifte hastig die Schuhe ab und war eine Sekunde später im kalten Wasser. Die Wasserhöhle lag zu tief. Sie musste selbst mit dem Kopf untertauchen, um ihn zu erreichen. Laine hielt die Luft an und ging in die Knie. Sie tastete umher und fühlte seine Hand, eiskalt und glatt. Fast hätte sie geschrien, aber dann zog sie an seinem Arm und fühlte kaum einen Widerstand. Laine tauchte auf und zog Sams leblosen Körper mit sich. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es so einfach ging. Er klemmte gar nicht fest. Sie hielt ihn in den Armen und spürte ihre Tränen, brennend und heiß, über ihr Gesicht laufen. Sie hob seinen Kopf aus dem Wasser. Sie erschrak, als sie sah, dass die Schnitte hinter seinem Ohr aufgeweicht und anscheinend aufgerissen waren. Es lief sogar ein wenig Wasser heraus, als sie seinen Kopf ans Ufer bettete. Und dann hustete Sam plötzlich. Seine Augenlider flatterten und er öffnete den Mund, wie um nach Luft zu schnappen.
„Sam!“, schrie Laine. „Oh mein Gott!“
Sam spuckte Wasser aus und gab ein röchelndes Geräusch von sich. Und dann hob sich sein Brustkorb in einem mühsamen Atemzug. Laine hielt ihn mit all ihrer Kraft über Wasser. Es war geradezu unmöglich, dass er noch lebte, aber in diesem Moment war ihr das völlig egal.
Sam ist nicht tot, war das Einzige, was sie denken konnte.
Danke lieber Gott, ich danke dir.
Sam schlug die Augen auf und erschrak im ersten Moment, bis er sie erkannte.
„Laine …“, flüsterte er benommen. „Was ist denn passiert? Was machst du hier?“
„Du wärst fast ertrunken. Ich hab dich raus gezogen. Was um Himmels willen hast du denn da gemacht? Es ist ein Wunder, dass du noch lebst. Du warst minutenlang unter Wasser.“
Sam richtete sich auf, und sie ließ ihn los. Im Licht der Taschenlampe, die am Ufer lag, konnte sie nur sein Gesicht sehen.
„Ich habe geschlafen“, sagte Sam.
Leseprobe 2:
Die Sonne warf ihr rotes Abendlicht in die Höhle. Laine war am Nachmittag noch mal kurz bei ihm gewesen und hatte Sam etwas zu Essen gebracht.
Sam durchsuchte seine Sachen und fand einen kleinen Anhänger, der silbrig glänzte. Er hatte keine Ahnung, was die kleine Figur darstellen sollte, aber er wollte Laine ein Geschenk machen, wenn sie morgen wiederkam, und dieses kleine Ding schien ihm geeignet. Er nahm es und rieb es ein wenig blank.
„Hallo, Sam“, sagte eine Stimme hinter ihm. Sam fuhr herum.
Bill kam lässig, die Hände in den Hosentaschen, auf ihn zugeschlendert.
„Was machst du hier?“, fragte Sam.
„Schön hast du’s hier“, sagte Bill und sah sich demonstrativ um. „Auch gut geeignet, um Mädels flach zu legen. Die stehen bestimmt auf so ne Location. Weißt schon, Sonnenuntergang, Wasser, romantisch und so.“
„Das verstehe ich nicht“, sagte Sam. Bill grinste.
„Tja, weißt du … inzwischen glaub ich dir das sogar.“ Er ging weiter und stellte sich zwischen Sam und die Wasserrinne.
„Was willst du?“, fragte Sam.
„Gar nichts“, sagte Bill. „Ich hab dich gerade genau da, wo ich dich haben wollte.“
Sam keuchte und griff sich an den Hals. Ein kleiner, roter Pfeil steckte in seiner Haut. Er taumelte und Bill trat schnell vor, um ihn aufzufangen. Bill fühlte, wie Sams Beine nachgaben und er in seinen Armen zusammensank. Das Zeug wirkte verdammt schnell. Bill legte ihn vorsichtig in den Sand. Sam sah benommen zu ihm auf. Er bewegte die Lippen, als ob er etwas sagen wollte. Dann fielen ihm die Augen zu und er blieb reglos liegen.
„Ausgezeichnet, Junge“, rief Doc Abernathy vom Höhleneingang.
„Gut reagiert. Bei diesen Felsen kann er sich schwer verletzen, wenn er stürzt.“
Er kam mit flotten Schritten zu Bill hinüber und ließ sich neben Sam auf ein Knie sinken. Er fühlte Sams Puls und kontrollierte die Atmung.
„Alles bestens. Schläft wie ein Kätzchen.“ Er zog den Betäubungspfeil aus Sams Hals.
„Woher wussten Sie, was die richtige Dosierung ist?“, fragte Bill.
„Das wusste ich nicht. Ich bin davon ausgegangen, dass er ein Säugetier ist und hab’s wie für einen jungen Delphin dosiert. Ein Restrisiko bleibt natürlich immer.“ Er drehte Sams Kopf ein wenig und sah sich die Kiemen an.
„Hol mich der Teufel“, murmelte er. „Das ist eine sensationelle Entdeckung, mein Junge.“
„Vielleicht überlegt sich mein Vater das noch mal mit meinem Biologiestudium, was meinen Sie?“, fragte Bill nicht ohne Hohn.
„Ganz bestimmt. Und wenn nicht … mit dem Projekt hier wirst du deinen Vater nicht mehr brauchen. Sieh nach, ob die Luft rein ist. Wir bringen ihn zum Wagen.“
Abernathy reichte Bill sein Gewehr.
Dann lud er sich den narkotisierten Jungen auf die Arme. Bill zollte ihm insgeheim Anerkennung. Der Doc schien recht fit zu sein für sein Alter. Bill schulterte das Gewehr und Abernathy trug Sam zum Höhlenausgang.
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