
Aus einem Interview mit der Lektorats-Agentur Lektoren.ch
»Dann muss das Handwerkliche stimmen«, so Meininger weiter, und meint damit den lektorierten Text. »Wir greifen nicht in die künstlerische Arbeit des Autors ein, sind aber ein besonders kritischer erster Leser, der nicht nur Rechtschreibfehler korrigiert, sondern klar seine Beobachtungen schildert«. Das bedeutet, auch die Überschriftenhierarchien werden überprüft, die Logik des Texts unter die Lupe genommen und Daten und Fakten recherchiert. Die Vorschläge kann dann der Autor annehmen oder ablehnen, sodass er keine Angst haben braucht, dass in seinem Manuskript wahllos herumgestrichen wird. »Ein handwerklich sauberes Manuskript ist unbedingt Voraussetzung für ein ernstzunehmendes Verlagsengagement«.
Ein besonders kritischer erster Leser.
Schade, dass es solche besonders kritische erste Leser in diesem Forum so schwer haben.
Und schade, dass das handwerklich saubere Schreiben hier so gering geschätzt wird.
Aus einem Interview mit Matthias Bischoff, Lektor beim Eichborn-Verlag
Matthias Bischoff: [...] Aber ich will ehrlich sein: Was natürlich eine Rolle spielt, ist auch die sprachliche Form. Wenn schon im Anschreiben Orthographie und Kommata locker gehandhabt werden, dazu noch Stilblüten wuchern, was kann ich dann vom Text erwarten? Meist lese ich ein paar Seiten und sehe meine schlimmsten Erwartungen bestätigt: Keine Sprache, nur Schulaufsatzniveau, peinliche Patzer in jedem zweiten Satz. Weg damit! [...]
In der Regel stehen sich Autoren bei der schonungslosen Selbsterkenntnis im Weg. Vielleicht muss das so sein, um die ungeheuerlichen Strapazen des Schreibens über vielleicht Monate, ja Jahre zu ertragen. Außerdem gibt es ja leider keine Wahrheit. Vielleicht kann ein Autor nicht anders erzählen, und vielleicht muss er so erzählen. Ob andere das dann auch lesen wollen, steht auf einem anderen Blatt. Bloß: Ich habe zu entscheiden, was sich - meiner Einschätzung nach - verkauft. Und da ist es wirklich so, dass ich allergisch auf allzu viele Schnörkel und Erzählverhinderungsgesten reagiere. Ich deute das in der Regel bloß an, sage, dass zuviel "behauptet, nicht erzählt" ist. Dagegen kann man dann als Autor nur eins tun: Erzählen, Geschichten spinnen, Figuren leben lassen, Charaktere entwickeln. Wie das geht, weiß ich auch nicht - sonst wäre ich ja selbst Autor. Aber: Ich weiß, wie's auf keinen Fall geht, und da schreite ich ein!
Offenbar macht es doch Sinn, über gut ausgeprägte Basics wie Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik zu verfügen. Trotz aller Rede von künstlerischer Freiheit.
Und Autoren stehen sich selbst bei der schonungslosen Selbsterkenntnis im Weg - wie kann das sein?
Artikel aus der Berliner Zeitung
Der Erfolg als Schriftsteller muß meist hart erarbeitet werden
Deutschen Autoren fehlen Möglichkeiten zur Weiterbildung
Es sei das Erbe von Thomas Mann, daß in Deutschland jeder Autor meint, er müsse mit seinem Buch einen Geniestreich produzieren, so begründete Maria Gazzetti, Leiterin des Literaturhauses in Frankfurt a.M., letzten Monat die Erfolglosigkeit deutscher Romane im Ausland. Für Jahre zieht der Autor sich in sein stilles Kämmerlein zurück. Irgendwann liegt der Roman fertig in der Schublade, doch von den Verlagen regnet es Absagen.
Im Gegensatz zu Amerika, wo fast jede Universität Kurse für "Kreatives Schreiben" anbietet, ist der Autor in Deutschland meist Autodidakt. Doch gerade wenn die Möglichkeit zur Weiterbildung fehlt, ist es wichtig, einen Kreis Gleichgesinnter zu finden. Jeder Autor könne von der Reaktion seiner Leser nur profitieren, sagt Christiane Schmidt vom Luchterhand-Verlag. Kommt es schließlich zur Kontaktaufnahme mit einem Verlag, könne man die Empfehlung eines Lesers das kann ein Journalist, ein anderer Autor oder auch nur ein Freund sein beilegen.
Eichborn-Verleger Wolfgang Ferchl setzt demgegenüber gleich auf die berufsmäßig Zuständigen: Wer, wenn nicht ein Verlags-Lektor, könne dem Autor Ratschläge erteilen? Statt dem Verlag ein "sakrosanktes Werk von 53 Seiten" zuzuschicken, könne es bisweilen reichen, auf zwei bis drei Seiten eine Geschichte zu skizzieren. Frühzeitig könnten so Fehler wie etwa die Einführung zu vieler Personen oder Handlungsorte ausgemerzt werden. Desirèe von Trotha, die mit ihrem 300 Seiten starken Manuskript der "Lebensbilder aus dem Land der Tuareg" bei Frederking und Thaler Anklang fand, bezeichnet die Zusammenarbeit mit ihrer Lektorin sogar als "kostenlosen Fortbildungskurs".
Was aber sind die Regeln für einen handwerklich guten Roman? Die Ratschläge von Wolfgang Ferchl an den Autor klingen ganz einfach: Er solle prüfen, was an dem Text Spaß macht. Ist es die Sprache, die Wortwahl? Ist die Geschichte skurril oder die Figur so spannend? Die Theaterarbeit sei für den Bau eines Romans eine gute Voraussetzung, sagt Ferchl. Wie der Romanautor muß auch der Theaterschreiber sein Publikum gewinnen und durch den Höhepunkt verzögernde und beschleunigende Momente bei der Stange halten.
Welche Themen Erfolg versprechen, ist ebenfalls einzugrenzen. Christiane Schmidt warnt vor der "ewigen Selbstbespiegelung". Auch Ingoh Brux, Dramaturg am Düsseldorfer Schauspielhaus, setzt ein "relevantes Thema" voraus, daß "jemand was zu sagen hat, daß er eine eigene Sicht auf die Dinge und sich selbst gegenüber eine Offenheit" habe. Das Stück "Zerbombt" von Sarah Kane etwa thematisiert den Krieg in Bosnien, das in Düsseldorf sehr erfolgreiche "Top dogs" handelt von arbeitslosen Managern.
Im Gegensatz zum Eichborn-Verlag entscheiden die meisten anderen Verlage noch immer aufgrund fertiger Manuskripte. Diese sollten nicht zu lang sein, so der Wunsch von Christiane Schmidt und nennt einen Umfang von 150 bis 500 Seiten, auf jeden Fall aber unter 800. Disketten seien nicht akzeptabel. Ein Brief, in dem etwas zur Person des Autors stehe, sowie ein kurzes Exposè erleichtern den Zugang. Anrufe hoffnungsvoller Autoren, die die Gepflogenheiten des jeweiligen Verlages erfragen, sind nicht gerne gesehen. Für denjenigen, der ohne Agenten auskommen muß, sind sie aber doch sinnvoll.
Auch telefonisch avisierte Manuskripte gelten als "unaufgefordert eingesandt". So Tituliertes landet eventuell nur auf dem Schreibtisch des unbezahlten Lektorats-Praktikanten, kann aber ein unerwarteter Erfolg werden, wie Marlene Farau "Frauen, die Prosecco trinken" beweist. Auch die Journalistin Sibylle Berg gelangte so als Autorin ins Programm von Hoffmann und Campe. Lektoren fahnden ihrerseits in angesagten Frauenzeitschriften nach Jung-Autoren. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Journalisten, die bereits einen Namen beim Publikum haben. Wie etwa Amelie Fried sollen sie möglichst schon bekannt sein, bevor ihr Buch veröffentlicht wird.
In zehn Jahren haben diese Bücher unterhaltender Jungautoren wohl keine Gültigkeit mehr. Sie sind eher Ware als Kulturgut. Doch ist es dieser "Amerikanisierung" deutscher Literatur zu verdanken, daß die Honorare der Autoren steigen.
Hmm... Da ist die Rede von Weiterbildung. Bedeutet dies nicht, sein Geschriebenes immer wieder in Frage zu stellen und eben nicht den Lobpreisungen anderer zu glauben?
Reaktionen der Leser werden dem Autor als Gradmesser empfohlen. Jede Reaktion eines Lesers. Wenn nun aber ein Leser - wie es Kritikern immer wieder vorgeworfen wird - kein gutes Haar am Text läßt, soll diese Reaktion dann unter den Teppich gekehrt werden?
Der Deutsche Literaturfonds e.V. meldet
Werkstatttage des Wiener Burgtheaters finden dieses Jahr nicht statt
Überfo(e)rdert
Wien/Darmstadt, 9. September 2009. Die für November geplanten und gemeinsam mit dem Deutschen Literaturfonds veranstalteten Werkstatttage für junge Dramatiker am Burgtheater Wien werden im Jahr 2009 erstmalig ausgesetzt. Die Jury begründet ihre Entscheidung mit einem Mangel an qualifizierten Bewerbungen.
Anhand eines fertigen Stückes und einer Arbeitsprobe sollten acht AutorInnen unter 35 Jahren ausgewählt werden, um ihre Texte an der Burg weiterzuentwickeln. Obwohl zu den Bewerbungsvoraussetzungen entweder die Teilnahme an einem Studiengang des Szenischen Schreibens oder eine Verlagsanbindung oder die persönliche Empfehlung von zwei Persönlichkeiten des Theaterlebens gehört, fand sich unter den Einsendungen keine ausreichende Anzahl von Bewerbungen mit erkennbarem Entwicklungspotential.
Bei fast allen eingereichten Stücken vermisste die Jury neben der fehlenden Dringlichkeit der verhandelten Themen szenische Phantasie und sprachliche Eigenständigkeit. Zudem stellte die Jury eklatante handwerkliche Schwächen fest. Der Jury gehörten die Dramaturgin Britta Kampert, die Journalistin Petra Kohse, der Dramaturg Erik Altorfer und der Literaturwissenschaftler Gunther Nickel an.
Eigentlich eine logische Folge: Mangelnde Qualität, eklatante handwerkliche Schwächen - das sind die hinreichenden Gründe der Jury, die Literaturwerkstatttage in Wien abzusagen. Eigentlich nur folgerichtig. Denn handwerkliche Aus- und Weiterbildung ist nicht unbedingt angesagt, da dies erstens mit massiver Kritik am Text und zweitens mit harter Arbeit in Form von zum dritten, vierten, fünften Male neu schreiben verbunden ist.
Wie sieht die Realität aus? Etwa: Hinsetzen, schreiben, für gut befinden?
Was sagt Matthias Bischoff vom Eichborn-Verlag dazu?
"Keine Sprache, nur Schulaufsatzniveau, peinliche Patzer in jedem zweiten Satz. Weg damit!"
Und wir wundern uns, warum On-Demand-Bücher bei Buchhändlern so schlecht angesehen sind.
Grüße
Siegfried