
Ich melde mich leise zurück mit einem neuen Buchprojekt. Diesmal jedoch nicht mit Fantasy sondern mit einem realitätsnahem Projekt. Es würde mich sehr freuen wenn ihr mal rein schauen würdet

Anleitung zum Engel werden
Es war der 5.03.1990, als ich das Licht der Welt erblickte. Heute erinnern nur noch verblasste Fotografien an den Tag, an dem für mich alles begann.
An fünf Stunden schmerzvolle Wehen meiner Mutter und ein kleines, aber gesundes Mädchen, das laut in die Welt hinaus schrie. Letztendlich bleiben nur noch verschwommene Erzählungen davon, den meine Erinnerungen waren längst verloschen.
Bis heute war viel Zeit verstrichen.
Das Leben hatte sich gewandelt und Gedanken waren zu Taten gereift. Einiges war gelungen, doch vieles war nicht nach Plan verlaufen, wie es im Leben üblich war. Ich weiß nicht genau, wann wir damit beginnen, ich nehme an das es einfach irgendwann von selbst geschieht. Bei den einen früher, bei anderen später. Wir Menschen sind unaufhörlich am Pläneschmieden, jeden Tag aufs Neue. Zuerst sind sie unklar und unrealistisch, doch mit der Zeit werden sie genauer, besser.
Wir wissen immer mehr und meinen immer schneller zu erkennen was richtig und was falsch ist. Dadurch ändern sich unsere Motivationen, den das Leben unterliegt nun ganz anderen Kriterien. Trieb uns anfänglich noch Spaß an der Sache voran, so wandelt es sich schnell in das streben nach Macht und Geld. Es bleibt ein natürlicher Wesenszug der Menschen, von dem sich niemand freisprechen kann.
Schon gar nicht ich. Und es blieb der natürliche Lauf des Lebens, das suchen und verlieren von Träumen.
Als kleines Mädchen habe ich den Sternen nachgesehen und mir gewünscht ich könnte bei ihnen sein. Damals war mein sehnlichster Wunsch Astronautin zu werden, um ferne, geheime Orte entdecken zu können. Später wollte ich Lehrerin werden, doch das Leben machte mir einen Strich durch die Rechnung. Am Ende wurde es etwas Bodenständiges, Krankenschwester. Der Weg bis dahin war lang und schwer und nur ungern sehe ich zurück auf diese Zeit der Traurigkeit.
Ich wusste hinter all meinen Taten, stand immer der Wunsch etwas Besonderes zu sein. Nichts Schlimmeres gab es für mich als einfach vergessen zu werden, durchschnitt zu sein.
Letztendlich kann ich nicht sagen, ob ich etwas Besonderes war, ich wusste nur das ich immer anders gewesen bin. Sicher war es nicht immer einfach und manchmal war der Wunsch, aufzugeben, übermächtig.
Trotzalledem hatte ich mir immer ein gewisses Maß an Lebensfreude erhalten, wie wusste ich heute selbst nicht mehr genau.
Das Erste, woran ich mich wirklich erinnern konnte, war meine Einschulung in der Losea- Grundschule. An die bunten Farben und die vielen fremden Gesichter, an die Nervosität. Ich hatte damals, nicht wie die anderen Kinder geweint, vielmehr hatte ich mich auf die Schule gefreut. Ich hatte mich in den folgenden Jahren oft so gefühlt wie an meinem ersten Schultag, als mir klar wurde, dass die Schule nichts Märchenhaftes an sich hatte. Als mir bewusst wurde, dass ich eine Außenseiterin war, ein Mädchen, das die anderen nicht mochten.
Meine Eltern sagten damals das es bald vorbei gehen würde, wir waren ja noch Kinder. Doch ich glaubte ihnen nicht. Meine Mutter hatte damals dieses seltsame Lächeln aufgesetzt, so hatte sie immer gelächelt, wenn sie nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte. Meinen Vater hatte es nicht interessiert, warum auch.
Dann verstrichen wieder einige Jahre.
Meine Mutter wurde noch einmal schwanger mit nunmehr 40 Jahren. Ich glaube nicht das es geplant war, allerdings war ich mir bei meinen Eltern nie sicher. In der neunten Woche ihrer Schwangerschaft verfiel sie in tiefe Depressionen und bald schon war meine Mutter nur noch ein schwaches Abbild ihrer Selbst.
Das Haus wurde leerer und über die Räume legte sich eine totenstille, die mir das Blut in den Adern gefrieren lies. Mein Vater, Gregor, war nur noch selten zu Hause, er hatte eine verantwortungsvolle Stellung erhalten. Währenddessen lag meine Mutter daheim auf der Couch und starrte in die Ferne. Die Müllberge türmten sich und meine Fehlzeiten in der Schule wurden immer mehr. Mein Vater behielt mich zuhause, um auf meine suizidgefährdete Mutter da zu sein.
Schon längst besuchte ich das Gymnasium, doch auch dort blieb ich eine Außenseiterin. In tiefer Depression gefangen war meine Mutter nicht fähig für sich und uns zu sorgen, also musste ich mich um alles kümmern. Keine Zeit für Freunde oder andere Interessen, nur die Sorge um die Menschen, die man liebte, blieb.
Gregor unterstützte sie in ihren Depressionen, indem er sie vor allem schützte, was in der Welt passierte. Ich nehme an er hatte gute Absichten, doch das änderte nichts daran, dass er ihr schadete.
Als meine kleine Schwester zur Welt kam, schienen die Wolken weiter zu ziehen. Für einen kleinen Moment wurde es hell um uns. Einige Wochen war alles ruhig und zum ersten Mal seit langen Schlief ich wieder ruhig. Dann, eines Nachts, wurde ich von unruhigen Händen geweckt und aus meinen Träumen gerissen.
Ich erinnere mich noch genau an die leeren Augen meiner Tante, als sie mir erzählte, dass meine kleine Schwester gestorben sei. Ein plötzliches Herzversagen, das sich keiner erklären konnte. Wenig später nahm meine Mutter eine Überdosis Tabletten, sie war innerhalb weniger Stunden tot. Ich hatte sie gefunden und den Rettungswagen gerufen, doch er kam zu spät. Mein Vater folgte ihr bald, tot durch Alkohol am Steuer. Als ich allein zurückblieb, wollte mich keiner haben, manchmal fragte ich mich ob meine Verwandten dachte es wäre ansteckend.
Das Jugendamt nahm sich meiner an und als beschlossen wurde, dass ich zu alt für eine Pflegefamilie sei, wurde ich in ein betreutes Wohnen gesteckt.
Als diese Zeit der Einsamkeit begann, wünschte ich mich oft in meine Kindheit zurück. Zurück zu jenen Tagen, als meine Mutter abends an meinem Bett gesessen hatte und mir von einem liebenden Gott und Engeln erzählt hatte. Sie hatte mich dann immer zärtlich angeblickt und mich ihren „kleinen Engel“ genannt. Mit einem Gutenacht-Kuss war sie dann wieder verschwunden, doch die Erinnerung blieb.
Als die Einsamkeit begann, sehnte ich mich nach nichts mehr als ein Engel zu sein, um meiner Mutter wieder nah sein zu können. Also begann meine Zeit der Suche, verbunden mit Enttäuschung, Leid und Schmerz, auf meinem Weg ein Engel zu werden.
Ist doch etwas mehr geworden als erwartet.


LG Sam