"Schockmomente bietet der neue Widmann nicht wenige. Aber vielleicht machen gerade sie den Leser aufnahmebereit für Einsichten. Denn erschreckend ist: Keineswegs bildet bloße Fiktion den Hintergrund des Romangeschehens, es ist angereichert mit Fakten abscheulicher Verbrechen, seit Jahrzehnten begangen unter den Augen der Gesellschaft, unter dem Schutze mächtiger Protégés: Menschenhandel, Missbrauch, Zwangsprostitution mitten in Europa. Erneut ermittelt Sibel Schmitt als lonesome hero, umso dramatischer packt sie uns erstmals als Ich-Erzählerin mit ihrer Geschichte. Es ist das Protokoll einer Rechtfertigung, denn sie, die Polizistin, sieht sich gezwungen, gegen Gesetze zu verstoßen, um Recht, Gerechtigkeit zu fertigen, wie immer bei vollem Körpereinsatz. Sie muss handeln - aus "Notwehr". Zehn Jahre führen Schmitt die Erinnerungen zurück in ihre Zeit als Jurastudentin in Paris, erpressbar damals in ihrer nur äußerst mühsam beherrschten Abhängigkeit vom Heroin. Schmitts mächtige Gegner halten Hof in ihren Gerichtssälen, Anwaltskanzleien und Polizeirevieren, Rechtspopulisten im Gewande der Biedermänner, tatsächlich aber sinistre Doppelexistenzen, die nachts in den Kellerlöchern verlassener Fabrikgebäude ihre Perversionen ausleben. An beide Arten Schauplätze führt uns Widmann an der Hand Schmitts, in die Salons mit ihrem falschen Glanz und die Hinterhöfe in ihrem echten Elend. Nicht mal Schmitts Strandhäuschen taugt zum beschaulichen Urlaubsdomizil, mutiert vielmehr zur sturmumtosten Hölle, in der sie um ihr Leben kämpfen muss. Wo korrupte Eliten die Ohnmacht Notleidender brutal ausnutzen, da wühlt Schmitt im Gedärm von Rechtsstaat und Moral. Aufrüttelnd." C. M."/>

Leseprobe: Notwehr

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