Buchhändlerin mit Herz für Self-Publishing

Bianca Bolduan ist selbst Autorin und kennt die Herausforderung, Buchhändler vom eigenen Titel zu überzeugen. Aus ihrer Not machte sie eine Tugend und eröffnete eine…

29.01.2016 · Anja Meiners Autoren · Buchmarkt

Wer „Wortwerke“ in Bad Segeberg betritt, findet keine ganz gewöhnliche Buchhandlung vor. Die Räumlichkeiten sind modern, hell und einladend, neben Büchern und Hörbüchern zählen Kunst und Handwerk zum Sortiment, es gibt eine gemütliche Kaffeebar mit leckerem Kuchen – kurzum, man fühlt sich als Besucher direkt wohl. Doch nicht das Ambiente oder die Kombination aus Café und Buchhandlung stellen die eigentliche Besonderheit dar, sondern die Titelauswahl: Alle Bücher stammen von Self-Publishing-Autoren oder Kleinverlegern. Inhaberin Bianca Bolduan hat als Self-Publishing-Autorin selbst in Buchhandlungen fleißig „Klinken geputzt“, um die eigenen Bücher zu bewerben. Kurzerhand packte sie den Stier einfach selbst bei den Hörnern: Sie eröffnete eine Buchhandlung – eine Buchhandlung für Self-Publisher.


Mit ihrem Konzept, das die Buchausstellung sowie Veranstaltungen wie Lesungen vereint, bietet die Durchstarterin Self-Publishing-Autoren eine attraktive Plattform und ist ein echtes Vorbild für Buchhändler. Im Interview schildert Bianca Bolduan ihre Beweggründe und Ziele und gibt Tipps, wie Autoren Ihr Buch Buchhändlern und Lesern optimal präsentieren.

Bianca Bolduan, Sie sind nicht nur Buchhändlerin, sondern auch Kleinverlegerin und Autorin. Wieso haben Sie sich mit Ihrer Buchhandlung auf Self-Publishing-Titel spezialisiert?
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, mit einem Kleinverlagsprogramm in den regulären Buchhandel zu kommen. Und nach einer dieser zähen Debatten mit einer Buchhändlerin habe ich gedacht, dass es eine Buchhandlung nur für Self-Publisher geben sollte. Damit war die Idee geboren: Ich habe recherchiert, mich auf dem Buchmarkt umgesehen und dann beschlossen, „Wortwerke“ ins Leben zu rufen. Es war einfach an der Zeit, diesem Heer von zum Teil sehr guten Büchern außerhalb großer Verlagsprogramme eine reale, also physikalische Plattform zu geben.Vermutlich erhalten Sie viele Anfragen von Autoren. Welche Qualitätsprüfung durchlaufen Titel, um in Ihr Sortiment aufgenommen zu werden?
Um bei „Wortwerke“ mitmachen zu können, durchläuft ein Buch unser sogenanntes  Double-Blind-Verfahren.  Ich habe fünf Mitarbeiter, die als Testleser fungieren. Zwei davon bekommen das bei mir eingegangene Buch nacheinander zur Prüfung. Sie prüfen folgende Kriterien: Professionalität hinsichtlich des Handwerks, der Druckqualität und der Covergestaltug, Orthografie sowie Sprachniveau. Wir bewerten möglichst nicht den Inhalt, denn eine Geschichte muss nicht mir gefallen, sondern dem Kunden, dem zukünftigen Leser. Und wer bin ich, dass ich jemandem vorschreibe, was er gut finden soll?
Mirko Reeh

Bianca Bolduan

Von Beruf ursprünglich Pferdetrainerin, Pferde-Physiotherapeutin sowie psychologische Beraterin, hat Bianca Bolduan mit Büchern einen neuen beruflichen Schwerpunkt. Seit 2010 hat sie zehn Titel geschrieben und als Kleinverlegerin herausgegeben. Ihre nächsten zwei Veröffentlichungen, die noch in diesem Jahr geplant sind, erscheinen über zwei kleinere Verlage. Mit ihrer Self-Publishing-Buchhandlung Wortwerke in Bad Segeberg efüllte sich Bianca Bolduan 2015 ihren großen Traum. Weitere Filialen sollen bereits 2016 in mehreren deutschen Städten folgen.

Nur Texte rechter Gesinnung, Gewaltverherrlichendes oder Diskriminierendes kommt mir nicht in den Laden. Ist eine Geschichte aber zu wirr, zu unprofessionell geführt, nehme ich das Buch auch nicht an, ganz gleich, wie gut ansonsten das Handwerk ist. Ohne ISBN nehme ich kein Buch an. Ob es gelistet ist (VLB, Barsortiment) interessiert mich nicht, denn solange ich das reale Buch im Laden habe, kann es ein Kunde bei mir kaufen – und darum geht es mir.

„Kunden kaufen im Laden eher Bücher, nicht Autoren.“

Eine Buchhandlung zum Wohlfühlen: Neben (Hör-)Büchern wird bei Wortwerke auch Kunsthandwerk sowie köstlicher Kaffee und Kuchen angeboten.
Unter Ihren ausgestellten Titeln finden sich auch einige BoD-Titel, darunter „Der Journalist“ von Hansjürgen Wölfinger und „Frauentod“ von Linda Arndt – beides Autoren aus Norddeutschland. Welche Rolle spielt Ihrer Ansicht nach generell Regionalität bei der Titelauswahl in Buchhandlungen?
Natürlich habe ich auch Kunden dabei, die es klasse finden, regionale Autoren bei „Wortwerke“ zu finden, gerade, wenn sie den Menschen auch noch kennen. Aber grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass Kunden im Laden eher Bücher kaufen, nicht Autoren.
Anders ist es auch bei unseren Lesungen. Da habe ich durchaus den Eindruck, dass Menschen gern zu denjenigen Autoren kommen, die aus der Region kommen, also der Nachbar sein könnte. Dieses „Das ist einer von uns“-Gefühl  ist ganz groß, wenn dann auch noch der Text in Gegenden spielt, die den Zuhörern bekannt ist. Ich denke da z. B. an meine Krimi-Autoren Bodo Manstein mit seinem Sylt-Krimi oder Britta Bendixen mit „Höllisch heiß“, einem Ostsee-Krimi.
Welche Genres boomen aktuell?
Wir haben am 1. November 2015 angefangen, also zum Weihnachtsgeschäft. Und da war ganz deutlich zu sehen: Die Menschen greifen zu Belletristik und hier gern zu Büchern mit tieferem Inhalt und dezenten Coverfarben. Krimi geht immer und zu Weihnachten boomten natürlich die Kinderbücher.
Aktuell ziehen die Genre Fantasy und alles rund um die Liebe an, die Menschen haben wieder Lust auf farbenfrohere Cover und lebenslustige Geschichten.
Alle ausgestellten Bücher werden auch auf der Wortwerke-Website nach Genres sortiert vorgestellt.

Neu: WORTWERKE-Handelspräsenz

Zum BoD-Vorzugspreis von monatlich 9,90€ stellen die Wortwerke-Buchhandlungen (in Bad Segeberg, Husum und Bremerhaven) Ihre Bücher zum Verkauf und zur Vermarktung aus. Damit die Bücher im lokalen Markt ein Renommee aufbauen können, beträgt die Mindestvertragslaufzeit ein Jahr. Die Auszahlung der Verkaufserlöse findet vierteljährlich und zu 100% statt. Ihre Titel werden zu themenspezifischen Veranstaltungen „in der vordersten Reihe“ präsentiert. Zusätzlich ist es möglich, eine Lesung nach Absprache zu halten und eigene Werbemittel mitzuliefern.

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„Eine Lesung sollte ein Feuerwerk für den Zuhörer sein.“

Mit regelmäßigen Lesungen in Ihrer Filiale bieten Sie Autoren eine zusätzliche Vermarktungsmöglichkeit. Welchen Vorteil bieten Lesungen gegenüber anderen Marketingaktivitäten?
Das mit den Lesungen ist ein zweischneidiges Schwert, dessen Kraft ein Autor meines Erachtens nicht unterschätzen sollte.
Einerseits habe ich als Autor natürlich die Möglichkeit, mich meinem Publikum und meiner „Fangemeinde“ real zu präsentieren.  Und bin ich gut, kann ich mich präsentieren, kann ich die Zuhörer mitnehmen, dann ist eine Lesung auf jeden Fall eine gute und sinnvolle Vermarktungsmöglichkeit, die genutzt werden sollte. Eine spannende oder unterhaltsame  Lesung bleibt in Gedächtnis, der Name des Autors auch.
Aber: Ist Vortragen oder mich vor Publikum bewegen nicht so meine Stärke, sollte ich es sein lassen! Und ich erlebe es leider immer wieder. Da wird ein an sich guter Text leise, langweilig oder lahm vorgelesen und man kann förmlich sehen, wie sich das Interesse der Zuhörer und damit auch die Zahl der möglichen Käufe gen Null sinkt und das Publikum schon nach Minuten gedanklich davon läuft. Und auch das bleibt im Gedächtnis der Zuhörer haften.
Nicht jeder Autor sollte eine Lesung machen. Und wenn es doch ein Herzenswunsch ist, dann mein Appell: Besucht vorher mindestens einen Rhetorikkurs und übt, übt, übt, bevor ihr euch einem durch das Überangebot an Lesungen höchst anspruchsvolle und kritische Publikum stellt.Wie ist die Resonanz durch Besucher und spiegeln sich Veranstaltungen wie Lesungen oder Signierrunden auch in den Buchverkäufen wieder?
Wir haben bisher vier Lesungen gemacht und die waren ausverkauft. Die Autoren haben bis auf wenige Ausnahmen durchaus auch ein Mehr an Büchern verkauft, aber es hängt wirklich davon ab, wie gut und nachhaltig im Gedächtnis verankert eine solche Lesung ist.

Welche Tipps würden Sie Autoren für die Umsetzung ihrer Lesungen geben?
Wählt eine gute Passage aus und übt diese solange, bis ihr sie beinahe auswendig vortragen könnt. Dann hebt den Kopf, brennt für euren Text, packt euch das Publikum und lasst es nicht wieder los!
Ein Autor, der in den Blättern seines Buches verschwindet und mit leiser Stimme vorliest, ist ein Albtraum, wenn mir dieses harte Wort einmal erlaubt ist. Und ich als Veranstalter nehme einen solchen Autor für eine Lesung nicht mehr auf.
Durch das Überangebot an Lesungen sollte die eigene ein Feuerwerk für den Zuhörer sein, eine spannende, unterhaltsame, berührende oder gefühlvolle Reise für einen Nachmittag oder Abend. Diesen Anspruch sollten wir Autoren an unsere Lesung haben. Der Zuhörer gibt seine Zeit, sein Geld und seine Bereitschaft, sich unseren Text live anzuhören. Das ist eine ganze Menge. Und dafür sollte er auch etwas bekommen. Sich den Text einfach vorzulesen könnte er selber. Was also kann ich ihm bieten, damit er mir zuhört?  Eine kleine Anekdote zu dem Text? Bilder? Musik? Alles richtig! Aber im Grunde genommen ist es einzig und allein meine Art, den Text an den Mann zu bringen, die darüber entscheidet, ob die Lesung top oder flopp wird.
Warum rockt ein Matthias Stührwoldt einen Abend lang unseren komplett ausverkauften Veranstaltungsraum?  Weil seine Texte so toll sind? Nein, es ist seine Art, wie er sie vorträgt – in Jeans und T-Shirt, frisch aus dem Stall und ohne jegliche Begleitung wie Bilder oder Musik. All das entsteht in den Köpfen der Menschen wie von selbst. Und er liest den ganzen Abend kein einziges Wort, er hat seine Geschichten im Kopf.
Oder Ulrich Borchers. Der Mann liest eine Kurzgeschichte über ein Huhn. Und was passiert? Die Menschen sind ganz bei ihm. Ist die Geschichte nun von so vollendeter Tiefgründigkeit, dass sich ihr keiner entziehen kann? Nein. Aber sie ist witzig – und einfach genial vorgetragen. Das bleibt in der Erinnerung hängen und seine Kurzgeschichten-Sammlungen verkaufen sich.
Nicht nur Leser sind Ihr Zielpublikum bei Veranstaltungen, Sie bieten auch Workshops für Autoren an. Was sind die Themenschwerpunkte und welche Empfehlungen geben Sie Autoren für ihre Veröffentlichung?
Themenschwerpunkte sind einerseits die Gestaltung der Texte insgesamt, also vom Sitzen vor einem leeren Blatt Papier bis zum letzten Punkt der Geschichte.

Aber auch das Finden des richtigen Genres für einen Autor halte ich für ganz wichtig. Nur weil Krimi geht, muss ich Krimi nicht schreiben. Wenn ich mich nicht an langen Texten aufhalten kann, sollte ich keinen Roman angehen. Und nur, weil ich Kinder habe, bin ich nicht automatisch geeignet, ein Kinderbuch zu schreiben. Um all das geht es in meinen Workshops für Autoren. Und wir besprechen natürlich auch die Dinge, die zwischen Manuskriptende und Veröffentlichung stehen: Testleser, Korrektorat, Lektorat, Covergestaltung, Verlagssuche oder Selfpublishing und das Thema Vermarktung.

Ich denke, dass viele neue Autoren gerade bei diesen Dingen vollkommen überfordert sind oder die Wichtigkeit nicht erkennen. Ein Text ist noch kein Buch und es ist, oder sollte sein, ein weiter Weg von dem letzten Punkt auf der letzten Seite bis hin zum Druckauftrag. Empfehlungen sind für mich schwierig. Die Verlagssuche endet nicht selten im totalen Frust und bei einem der zahlreichen dubiosen Druckkostenzuschussverlage, die sich den Wunsch nach einem eigenen Buch mit Tausenden von Euros bezahlen lassen. Einem unerfahrenen Autor die Selbstvermarktung zu empfehlen, ist auch so eine Sache. Es bedarf Zeit und Erfahrung, eine klare Selbsteinschätzung und jede Menge Geduld, sich einen Namen zu machen. Handwerkliche Qualität und Kreativität sind gefragt, und da unbekannte Autoren auch in dem Programm großer Verlage nur ein ganz kleines Licht sind und sich eh um beinahe alles selber kümmern müssen, ist das Prinzip des Selfpublishing aber schon eine richtig gute Sache.

„Für den Buchhandel ist es an der Zeit, den Self-Publisher ernst zu nehmen.“

Was würden Sie sich von anderen Buchhändlern beim Umgang mit Self-Publishing-Titeln wünschen und was müsste passieren, damit Self-Publishing-Titel breiter in den stationären Buchhandel gelangen?
Ich wünsche mir eine Art Kooperation zwischen dem Unternehmen Wortwerke und dem regulären Buchhandel. Wir nehmen die Self-Publisher, der reguläre Buchhandel nimmt das Verlagsprogramm großer Verlage. Und wenn ein Buchhändler an der Erweiterung seines Sortimentes interessiert ist, dann kann er sich bei uns melden. Wir geben Empfehlungen oder stellen Kontakte zu den Autoren her. Nutznießen kann dadurch der Leser, der Kunde, weil er ein breiteres Angebot hat.

Ich glaube, dass es für den regulären Buchhandel an der Zeit ist, die Self-Publisher ernst zu nehmen. Es gibt schwarze Schafe, sicher, jede Menge Anfängerfehler-Bücher und wie aus dem Boden schießende Kleinstverlage, die nach kurzer Zeit wieder verschwunden sind. Aber insgesamt werden die Selfpublisher sicherer, organisieren sich, investieren Zeit und Geld, damit ihr Buch auf dem hart umkämpften Markt mithalten kann. Und der Buchhandel wäre meines Erachtens nach gut beraten, dies nicht zu unterschätzen.

Gibt es Pläne, Ihr Konzept weiterauszubauen?
Ja! Die Grundidee war, in Bad Segeberg, Schleswig-Holstein, eine kleine Buchhandlung mit Self-Publishing-Titeln aufzumachen. Inzwischen aber kommt das Konzept so gut an, dass ich bereits in diesem Jahr damit anfange, Filialen zu eröffnen. Derzeit geplant sind Husum und Essen, die Eröffnung, so nichts dazwischen kommt, ist jeweils am 1. Mai 2016. Danach folgen Städte wie Hamburg, Berlin und München, aber auch Filialen in kleineren Städten sind geplant.

Was also als kleiner Buchladen in Bad Segeberg geplant war, wird nun zur bundesweiten Plattform für Selfpublisher und Kleinverlage. Und ich freue mich, dass das Konzept so gut ankommt.

Kommentare

  • Hallo, ich hatte schon von der Autorin Britta Bendixen von Wortwerk gehört und fand die Idee toll. Leider ist der Zettel mit der Adresse liegen geblieben, aber nun …
    Anne Poettgen

  • Klasse Konzept von Bianca Bolduan und eine tolle Chance für uns Selbstpublisher im Buchhandel eine Chance zu bekommen . Jetzt müsste nur noch BOD die Filialen direkt portofrei beliefern – das wäre es!
    Mein Maximus ist auf alle Fälle begeistert davon und er freut sich schon auf die geplante Filiale in seiner Heimatstadt München. Falls Bianca mich braucht , werde ich ihr mit Rat und Tat beiseite stehen .

  • Danke für die Tipps für Lesungen. Da weiß ich schon, was ich bei meiner nächsten Lesung besser machen kann.

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